Shira wachte auf und sah, dass alle weg waren. Keine Spur von Tala oder Judd, nur ein Haufen Schafwolle. Shira ignorierte die Schafwolle und stieß ein klägliches Fiepen aus. Sie war doch nicht etwa allein? Sie wollte nicht alleine sein! Hektisch sah sie sich um und erkannte bald die Spuren der beiden, die sich deutlich erkennbar in der feuchten Erde abzeichneten. Sie sprang auf und folgte ihnen.

"Streitet euch nicht", fiepte Shira. Sie leckte Judd sanft über die Nase und wollte dann bei Tala das gleiche machen, als sie wie vom Blitz getroffen zurückzuckte. Sie hatte eine hässliche Wunde an Talas Vorderbein entdeckt, die schlimm zu bluten schien. Erst einmal kräuselte sie die Nase, dann duckte sie sich verängstigt und fragte verstört: "Was....ist das denn...?"

Shira ließ sich von Judd tragen, aber viel lieber wäre sie zu Tala gegangen und hätte ihr die Wunden geleckt. Als sie die Höhle erkannte, knurrte sie abwehrend. Sie wollte sich da nicht schon wieder so langweilen. Sobald Judd sie zu Boden ließ, tappste sie wieder in die Richtung, wo Tala war, blieb aber stehen, denn Judd war stärker und ranghöher als sie und musste ihr die Erlaubnis geben. "Du hast sie verletzt? Aber wieso? Und hat sie dich auch verletzt?", sprudelte es aus ihr heraus.

Als Judd sie umwarf, erstarrte Shira und blieb so, wie sie hinplumpste, auch wenn das eine ungemütliche Haltung war. Sie schloss die Augen angesichts seiner Kraft. Aber als er das sagte, zappelte sie, sprang auf die Pfoten und folgte ihm, wobei sie protestierte: „Aber warum musstet ihr dann kämpfen? Konntet ihr nicht reden?“

"Na, du genauso wenig", neckte Shira ihn mit frech glänzenden Knopfaugen und lief an ihm vorbei, in die Richtung der Burg mit ihren unzerstörbaren,jahrhundertealten Mauern und den um die Türme kreisenden Dohlen. Vorher hatte sie Angst vor Judd gehabt, weil er ihrer Mutter etwas angetan hatte, aber jetzt war er bloß Judd, ihr Judd, ein alter, müde klingender Hund voller Spaß und Welpenliebe.

"Na, dann wird es höchste Zeit, sich daran zu gewöhnen", entschied Shira neckisch und knabberte an seiner Pfote. An etwas höheres kam sie nicht heran. Als sie seine feindliche Haltung und sein Knurren gegenüber fremden Hunden bemerkte, stutzte sie und fragte dann: "Warum machst du das?"

"Die sind doch nicht böse!" Shira blickte die Hunde an, alle hatten es eilig, von Judd Abstand zu halten. Sie kniff ihn leicht ins Ohr. "Na, na, na, du bist ja berühmt wie ein bunter Hund." Der Wind fuhr durch ihr Fell, und sie drehte sich um und tappste weiter den steinigen, sandigen Weg zur geheimnisvollen Burg.

Shira sah, wie Steingemäuer und Unkraut an ihr vorbeisausten, und schloss die Augen. Erst, als sie die salzige Meeresluft auf der Zunge schmeckte und einige Dohlen kreischend aufflatterten, wusste sie, dass Judd am Ziel war, öffnete die Augen und schnupperte die Luft. Sie sah einige Dohlen in der Nähe und drückte sich platt auf den Boden. Leise schlich sie sich an, wobei ihr Hinterteil und insbesondere der Schwanz wackelte, dann sprang sie in die Vogelschar und wuffte fröhlich. Die Dohlen krächzten wütend und flogen auf wie eine Wolke. Dass Judd böse war, ignorierte Shira, er würde schon wieder lieb werden.

Shira sah, dass Judd lag, und lief zu ihm. "Ja, ja. Die Junghunde müssen sich abrackern und die Erwachsenen schnarchen", sagte sie und tat beleidigt. Kichernd lief sie über ihn hinweg und zog an seinem weichen Ohr. Er war doch viiiiel, viiieel interessanter als die Dohlen! Sie tappste ihm spielerisch mit der Pfote an die Wange.